Brigitte Tast:
Zwischen all den Blicken
 

Zu diesem Projekt ist eine Dokumentation erschienen, die jedoch restlos vergriffen ist.

  Für ein Kapitel ihres Fotobandes "Modell Gehen" hat Brigitte Tast mit Spiegeln, alten Brettern, Decken und weiteren Materialien eine Kulisse aufgebaut, in der sie Fotografinnen zu Doppel-Selbstporträts mit ihr zusammen einlud.
Einige dieser Foto-Ergebnisse wurden bei der "PHOTOART 91" (Heidelberg) ausgestellt.
Gleichzeitig hat die Künstlerin dort eine ähnliche Selbstporträt-Nische geschaffen. Ausstellungsbesucher/innen konnten sich darin allein oder zusammen mit anderen fotografieren Aus den Ergebnissen ist eine kleine Dokumentation zusammengestellt worden.
S P I E G E L B I L D E R
Interview von Elvira Rehnberg
mit Brigitte Tast


Du hast Dich ja relativ häufig selbst im Spiegel fotografiert. Wie kamst Du zu diesem Motiv?
B.T.: Wie es angefangen hat, weiß ich nicht mehr. Das ist schon so lange her. Es entstand sicherlich aus der Beschäftigung mit meinem Spiegelbild. Meist wollte ich das nur festhalten, um eine bestimmte Stimmung dadurch aufzubewahren. Eigentlich waren das immer traurige und sentimentale Momente.

Warum hattest Du das Bedürfnis, solche Stimmungen festzuhalten?
B.T.: Da war etwas in mir, für das es keinen Platz gab. Durch das Fotografieren war es wenigstens notiert. Das Festhalten trotzt der Flüchtigkeit dieses Gefühls.

In Deiner letzten Diageschichte, "D' Litt vum Wasser", gab es ebenfalls sehr viele Spiegelbilder.
B.T.: Meine ersten Selbstporträts konnte ich nur aufnehmen, wenn ich ganz allein war. Da durfte mir niemand zusehen, ich musste allein für mich sein. Ich hatte das Gefühl, ich musste das, was ich tat, schützen. Erst mit der Zeit lernte ich, dass ich etwas ganz sehr wollen muss, um es beschützt zu haben. Dadurch konnte ich dann einen Schritt mehr nach außen gehen.
Mich mit einem Badezimmerspiegel als Requisit auf fremden, öffentlichen Plätzen zu fotografieren, mir dabei zuschauen zu lassen, war im Grunde etwas Ähnliches wie die Kulisse, die ich in Heidelberg während der "Photoart" aufgebaut habe.
Es war eine Einladung an Leute, stehen zu bleiben, zuzuschauen, mir näher zu kommen, mich anzusprechen, sich mit mir fotografieren zu lassen.
In "D' Litt vum Wasser" war meine Kulisse die Natur, verschiedene Wasserlandschaften in Südfrankreich, in Heidelberg war es die von mir eingerichtete Nische.

Stehen diese Selbstinszenierungen vor dem eigenen Spiegel aber nicht im völligen Gegensatz zu den Arbeiten, an denen Du in dieser Zeit sonst so gearbeitet hast? Ich denke da an Dein Modell-Projekt "Kästen, Rollen, Schubladen".
B.T.: Das Motiv des Spiegels gibt es auch bei den "Kästen, Rollen, Schubladen".
Das sind einmal die Besuchern/innen, die meine
Eintagsausstellungen besucht haben. Ihre Reaktionen waren ein Spiegel für meine Arbeit.
Aber auch die Modell-Aktion selbst. Wenn ich einem/r Künstler/in oder Fotograf/in Modell stand, mich dabei nach den fremden Anweisungen und Vorgaben zu geben oder zu bewegen hatte, war dies für mich oft wie ein Blick in einen Spiegel.

Aber musste sich dieses Spiegelbild nicht mehr oder weniger automatisch von dem unterscheiden, was Du sonst darin siehst?
B.T.: Wesentlich. Weil ich ja als erstes den/die Künstler/in bzw. Fotografin wahrnehme, das, was er/sie von mir will, und mich darauf einlasse.
Die Spiegelung ist eigentlich für mich erst dann sichtbar, wenn die entsprechende Situation schon vorbei ist.
Aber während dieser Projektzeit habe ich auch bei einem Maler Selbstporträts aufgenommen. Ich habe ihn gebeten, uns dafür einen Spiegel ins Atelier zu holen.

Dein Fotoband über dieses Projekt, "Modell Gehen", endet auch mit Spiegel-Selbstporträts.
B.T.: Wenn ich zurückblicke, scheint mir der Spiegel ein wichtiges Element in meiner Arbeit zu sein. In diesem Jahr, in dem ich Modell war, und auch in der Diageschichte "D' Litt vum Wasser" bewegte ich mich hauptsächlich in "Außenräumen" Der letzte Teil von "Modell Gehen" handelt mehr von "Innenräumen". Dafür ist auch die kleine Kulisse, die ich mit Brettern, Decken und Spiegel gebaut habe. Ein kleines Zimmer, so wie auch meine Eintagsausstellung "Kästen, Rollen, Schubladen" es war. Dieses Mal jedoch, für mein Buch, mit dafür eigens eingeladenen Frauen.

Einige der dabei entstandenen S/W-Fotografien hast Du dann auch für Deine Installation "Zwischen all den Blicken" verwendet. Welche Zielsetzung hast Du nun bei dieser Aktion?
B.T.: Meine Kulisse "Zwischen all den Blicken", die ich zum ersten Mal auf der Heidelberger "Photoart 91" ausgestellt habe, ist eine Variante meiner Spiegel-Inszenierungen. Ich war nur zur Eröffnung und zur Finissage in Heidelberg. In der Zeit dazwischen sollte meine Nische im Schloss eine Einladung für die Besucher/innen sein, die ja ohnehin oft mit Fotoapparat kommen, sich da hineinzusetzen und Fotos zu machen. Selbstporträts von sich selbst. Allein. Oder zusammen mit jemand anderem. Vielleicht wurde dafür eine Person gefragt, die eh dabei war. Aber es gab dadurch auch die Möglichkeit zu neuen Bekanntschaften.
Die Bretter, Decken, Spiegel und Bilderrahmen waren nicht befestigt. Sie konnten daher nach Lust und Laune zurechtgerückt werden. So lange, bis die Besucher/innen das richtige Foto aufnehmen konnten. Meine Fotografien rings um diese Installation durften dabei als Anregung betrachtet werden.

Für diese Dokumentation hier haben Dir Besucher/innen dort aufgenommene Fotografien zugeschickt.
B.T.: Ich konnte nicht einschätzen, wie viele Zuschriften ich auf meinen Aufruf dazu bekommen würde. Ich wusste weder, ob sich ganz viele oder überhaupt gar keine bei mir melden würden.
Jetzt hat sich herausgestellt, dass mir nur diejenigen Abzüge geschickt haben, die mich persönlich kennen gelernt hatten. Ich bekam nur Zuschriften von Besuchern/innen, die zu mir in die Kulisse gekommen waren.
Ich habe mich über jedes Foto, das mir geschickt wurde, sehr gefreut.
Ein bisschen schade finde ich es nur, dass nicht fremde, völlig unerwartete Ergebnisse kamen.

Nun zum Schluss noch eine Frage zu Deinen fotografischen Plänen. Was hast Du als nächstes vor?
B.T.: Meine allernächste Arbeit wird meine Diageschichte "Zwischen-Saison" sein. Im Herbst 1992 möchte ich sie während einer kleinen Tournee aufführen. Sie wird Gedanken, auch Fotografien und Texte, aus "Modell Gehen" aufgreifen.
Aber auch sonst will ich mich mit diesem Thema noch weiter beschäftigen. Bei den "Kästen, Rollen, Schubladen" hatte es mich am meisten interessiert, mich in viele unterschiedliche Phantasien hineinzugeben. Nun möchte ich mehr einen Dialog - Künstler/Modell bzw. Künstler/Modell/Fotografin - führen. Ich will dabei gemeinsame Interessen finden, damit diese Zwiegespräche beginnen können. Ich glaube, dass dabei Spiegel wieder wichtige Requisiten werden.
Als mein Arbeitsziel dabei stelle ich mir eine intensive Fotoserie vor, die ich entsprechend vergrößert ausstellen möchte.
Außerdem werde ich auch weiter an Aufnahmen in Installationen arbeiten. Zurzeit beschäftige ich mich damit, in meinem Atelier eine Bühne zu bauen, auf der sich andere Frauen zu von mir Vorgegebenem inszenieren sollen. Es gibt zurzeit dafür zwei Überlegungen rund um "Verführung/en".
(Dezember 1991)
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